15 Minuten Ruhm für alle

von Simone Kaempf

Heidelberg, 30. April 2015. "Ach!" Wenn mit diesem kleinen Wörtchen die Verwechslungs- und Aufsteiger-Komödie "Container Paris" endet, dann steckt darin nicht nur Erkenntnis und Erstaunen, sondern natürlich auch ein Verweis auf Alkmene in Heinrich von Kleists "Amphitryon". Der Stoßseufzer geht ihr über die Lippen, wenn nach allerlei Sinnestäuschungen endlich wieder ihr wahrer Gatte statt eines Doppelgängers in der Tür steht.

Ein Starrummel sondergleichen
In "Container Paris" rufen vier Protagonisten ihr "Ach“, wenn endlich der titelgebende Container gefunden ist und sich das Geheimnis um seinen Inhalt lüftet. Der Dramatiker David Gieselmann, nein, man muss genauer sagen: der Komödienautor, kennt natürlich all‘ die großen Vorbilder. Weiß genau von den Trugbildern, Täuschungen, Wendungen, die das Genre braucht; beherrscht die Regeln, wie sich aus dem Nichts heraus groteske Dispute entwickeln und auflösen. Virtuos gebaute Dialoge sind sein Markenzeichen. Mit dessen Hilfe bringt er auch in seinem jüngsten Stück die Dinge ins Rollen.

Stein des Anstoßes ist ein verschwundener Frachtcontainer. Ein mittlerer Angestellter steht im Zentrum, Grothe, der den Auftrag zur Suche erhält. Der Aberwitz entwickelt sich nach und nach, weil sein Auftraggeber an dem Aufspüren gar kein Interesse hat, im Pariser Hotel das Model Lynn, seine Frau und die Konkurrenzfirma auftauchen. Die Schweizer Regierung mischt sich ein, die Medien auch, ein Star-Rummel sondergleichen beginnt, als Grothe untertaucht.

 

ContainerParis 700 BirgitHupfeld uAuf der Frachtpapierrampe: Thomas Huber, Picco von Groote, Katharina Bach, Sascha Nathan, Verena Bukal © Birgit Hupfeld

Auch Christian Brey, Regisseur der Uraufführung, hat sich mit seinen Arbeiten ganz dem Komödien-Genre verschrieben. Man könnte hier also ein ideales Duo vermuten. Zumal Brey nicht ehrfürchtig mit Gieselmanns Text umgeht. Der End-Ausruf ist nämlich von ihm selbst noch bearbeitet und natürlich auch ein Liebesgeständnis an das ganze Genre. Der finale Showdown des Abends ist überhaupt ein großartiger Spaß: Im Disco-Kugel-Lichtregen legt das Model Lynn eine Popstar-Einlage hin, ihr Assistent lässt es krachen, kündigt und ändert sein Leben. Bunte Videoeinspielungen suggerieren einen starfähigen Flughafen-Empfang für alle Beteiligten, Glitzer, Musik, Bilderzauber und 15 Minuten Ruhm für alle. Sehenswerte mitreißende Szenen, in denen das Timing endlich stimmt.

Ein Spielort, der ausbremst

Zuvor wird sehr lange in einem kafkaesken Büroambiente gespielt, das sich als eher hinderlich entpuppt. Kartons, viel Papier, Schreibtische auf einer abschüssigen Spielfläche, ein Spielort, der ausbremst. Die Action setzt viel zu spät ein, wäre aber nötig, weil die Figuren genretypisch nicht psychologisch, sondern karikierend angelegt sind. Torben Kessler fummelt als Grothe zeitraubend die Frachtpapiere auseinander und wieder zusammen, Gags, die nicht mehr ganz frisch wirken. Picco von Groote muss als Firmenchefin im strengen Sekretärinnen-Look auf dem Drehstuhl ständig die Beine übereinander schlagen. Katharina Bach mit toupierter Sturmfrisur ahmt verrenke Modellposen nach. Viel Grimassieren und Augen-Aufreißen bei allen – unnötig und ermüdend. Aber am Ende zieht die Stimmungskurve nach oben, wenn Brey dem Stück ein schönes Finale schenkt, das die Medien- mit der Logistiksatire verschränkt, sich das Streben nach Ruhm mit der Suche nach dem Container angleicht: das Hinterherrennen nach dem großen Nichts. Eine türenklappernde Komödie ist "Container Paris" zum Glück nicht geworden, ein vergnügliches Arrangement auf abschüssiger Spielfläche aber doch noch.


Container Paris
von David Gieselmann
Uraufführungs-Inszenierung
Regie: Christian Brey, Bühne und Kostüme: Anette Hachmann, Elisa Limberg, Musik: Matthias Klein, Dramaturgie: Claudia Lowin.
Mit: Katharina Bach, Verena Bukal, Picco von Groote, Nico Holonics, Thomas Huber, Torben Kessler, Sascha Nathan.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.schauspielfrankfurt.de/

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